Der 8. August 1924 gilt als Geburtsstunde der Berliner S-Bahn. Damals, es war ein Freitag, fuhr der erste elektrifizierte Zug auf der Strecke zwischen dem Stettiner Vorortbahnhof in Berlin (heute: Nordbahnhof) und Bernau. Ein Foto des Zuges während des Halts in Zepernick ist in der Sammlung des Panketaler Geschichtsvereins erhalten.
Schaut man sich das Foto des ersten elektrischen Zuges in Zepernick an, denkt man eher an ein Eisenbahnabteil als an eine moderne S-Bahn. Die Bauart „Bernau“ basierte auf den ab 1922 gebauten Versuchszügen A-E und war mit 17 Halbzügen die erste Fahrzeugserie für die Berliner S-Bahn. Die Züge boten zwei Wagenklassen und waren zunächst noch grün lackiert. Ein Halbzug bestand aus zwei vierachsigen Triebwagen und drei zweiachsigen Beiwagen in der Mitte. Beim Verein „Historische S-Bahn“ in Erkner sowie im Technikmuseum Berlin kann man diese Fahrzeuge besichtigen, allerdings nicht mit originaler Frontpartie. 1956/57 wurden die acht noch vorhandenen Halbzüge dieser Serie technisch modernisiert und auch äußerlich der Bauart „Stadtbahn“ angeglichen, die ab 1928 gebaut wurde und mit ihrer typisch rot-gelben Farbgebung fortan das Bild der S-Bahn prägte.
Genau genommen ist der Begriff „S-Bahn“ erst ab 1930 etabliert worden. Die Reichsbahndirektion Berlin hatte die Gestaltung eines Logos in Auftrag gegeben. Die sperrige Bezeichnung „Stadt-, Ring- und Vorortbahnen“ sollte durch ein starkes Markenzeichen in Abgrenzung zur U-Bahn griffig zusammengefasst werden. Der Berliner Gebrauchsgrafiker Fritz Rosen schuf das prägnante Signet, ein weißes „S“ auf grünem Grund.
Mit der flächendeckenden Elektrifizierung und dem weiteren Ausbau des Streckennetzes erlebten auch Gemeinden und Städte an der Peripherie der Hauptstadt einen enormen Aufschwung. Immer mehr Berliner drängten aus der boomenden Metropole an den Stadtrand – „raus ins Grüne“, wo auch die Luft besser war. In der Nähe der Vorortbahnhöfe entstanden zahlreiche Ausflugslokale. Wer es sich leisten konnte, ließ sich dauerhaft im Umland nieder.
Geschäftstüchtige Parzellenmakler bewarben die gute Lage und Verkehrsanbindung. So heißt es zu Röntgental im „Führer durch die nördlichen Vororte Berlins“ (1928), herausgegeben vom Verkehrsverband an der Stettiner Bahn e. V.: „Der Bahnhof ist vom Stettiner Bahnhof in 24 Minuten zu erreichen. Dunkle Tannen, durchsetzt mit weißen, hellgrünen Birken, geben Röntgental eigenartiges landschaftliches Bild, das im Frühjahr zur Zeit der Baumblüte bezaubernd wirkt. Liebe zur eigenen Scholle, zur Natur, hat hier Entzückendes geschaffen. Aus weitangelegten Obstgärten und anderen Baumanlagen lugen die schmucken Villen hervor. Breite Straßen durchziehen den Ort.“
Über Alpenberge, eine Schwanebecker Siedlung, kann man lesen: „Während wir hier jetzt flaches Gelände überschauen, bemerken wir links der Schwanebecker Chaussee die Kolonie Alpenberge bei Buch, die infolge ihrer hohen und bergigen Lage einer der gesündesten Orte von Groß-Berlin ist …“
So erlebten sowohl Schwanebeck als auch Zepernick einen enormen Bevölkerungszuwachs. Während sich die Schwanebecker Bevölkerung zwischen 1850 und 1929 in etwa auf 1000 Einwohner vervierfachte, wuchs die Bevölkerungszahl in Zepernick von ehemals rund 400 Einwohnern (1895) auf 1530 Einwohner im Jahr 1910 und erlebte bis 1939 gar einen Zuwachs auf 9200.
Den Röntgentaler Siedlern ist es zu verdanken, dass es sogar zwei Bahnhöfe im Ort gibt. In den ersten Jahren erreichten sie ihre Grundstücke über die Bahnhöfe Buch oder Zepernick. Der 1896 gegründete Haus- und Grundbesitzerverein engagierte sich jedoch bald für den Bau eines eigenen Bahnhofes. Er sammelte Geld und stellte Land zur Verfügung. Am 1. Mai 1903 konnte der Haltepunkt feierlich eröffnet werden, damals verliefen die Schienen noch zu ebener Erde und Dampfzüge verkehrten stündlich zwischen Bernau und Berlin.
Schon bald wurde die Strecke auf einen Bahndamm gelegt und viergleisig ausgebaut. Somit erfolgte eine Trennung zwischen Fern- und Vorortverkehr. Damals entstanden auch die großen Bahnhofsgebäude im Jugendstil, die mittlerweile unter Denkmalschutz stehen.
Auch heutzutage ist die S-Bahn nicht nur für viele Pendler, sondern auch für Ausflüge in die Hauptstadt das Verkehrsmittel der Wahl. Wie selbstverständlich der zuverlässige Betrieb über Jahrzehnte als gegeben hingenommen wurde, rückt in Zeiten der notwendigen Erneuerungsmaßnahmen ins Bewusstsein.