Walter Seelig wurde am 14.5.1906 in Kienitz geboren. Er wohnte in Zepernick in der Hufelandstraße 10. Er war der Sohn von Salomon und Hedwig Seelig und hatte einen älteren Bruder Emil Hans Seelig.
Sein Vater Salomon Seelig betrieb in der Hufelandstraße 10 das Kaufhaus Seelig. Walter arbeitete als Verkäufer im Kaufhaus Hertie in Berlin. In seiner Freizeit war er passionierter Mineraliensammler. Walter Selig war ein guter Sportler und beim „Verein für Leibesübungen Sportfreunde Zepernick“ aktiv. Es sind einige Teilnehmerlisten von Wettkämpfen erhalten. Er nahm an einem Speerwurfwettbewerb am 29.07.1928 teil und errang den 7. Platz unter 12 Teilnehmern; an einem Laufwettbewerb am 19.05.1929 startete er über die Distanz von 800m; bei den Bezirkswaldlaufmeisterschaften am 06.04.1930, die von der „Sportvereinigung“ Schönow abgehalten wurde, startete Walter Seelig auf der Distanz 5000 m. Er war 1932/33 Vorsitzender des Vereins, der 1925 gegründet worden war.
Die nachstehende Information konnte einer Mitteilung an die Redaktion des Berliner Lokal-Anzeigers entnommen werden. Diese Zeitung hatte im Oktober 1932 um eine Information über die Vereinsgeschichte gebeten. Im Jahre 1932 hatte demnach der Verein 60 aktive Mitglieder und unterhielt vier Handballmannschaften. Jährlich fanden Straßenläufe, ein Sportfest und Querfeldeinläufe statt. Die Wettkämpfe wurden durch die Teilnahme von zahlreichen Berliner Vereinen jeweils zu regional bedeutenden Ereignissen. Jüdische Sportvereine aus Berlin kamen zu diesen Veranstaltungen des V.f.L. mit einem hohen Aufgebot an Teilnehmern.
Wie aus einem Schreiben vom 11.02.1933 des Johann R. Lisse an den Verein hervorgeht, war Walter Seelig zu der Zeit 1. Vorsitzender des Vereins. Ende Februar 1933 kam es im Verein zu einem Eklat. Aus einem Schreiben des Gesamtvorstandes des Vereins, das Lisse an den Verband der brandenburgischen Athletik-Vereine e.V., Berlin sandte, wurden die aktuellen Ereignisse, die zu einer massiven Mitgliederkündigung führten, beschrieben. Der damalige Vereinskassierer hatte sich offensichtlich auf einer Mitgliederversammlung rüde an die Vereinsmitglieder gewandt. Als daraufhin Mitglieder mehrere Beschwerden an den Vereinsvorsitzenden Walter Seelig richteten und der sich nicht veranlasst sah zu reagieren, trat eine Vielzahl von Mitgliedern aus dem Verein aus.
Daraufhin trat auch Walter Seelig von seinem Amt zurück und verließ gleichfalls den Verein. Auch der 2. Vorsitzende Willy Klinke folgte dem 1. Vorsitzenden und legte sein Amt nieder.
Der V.f.L. wurde danach von Lisse reorganisiert. Lisse meldete am 08.03.1933 an den Verband der brandenburgischen Athletik-Vereine e.V., Berlin (V.B.A.V.) die Zahl der Mitglieder, die ausgetreten waren, unter ihnen Walter Seelig, und die vom Verein beschlossenen Mitgliederausschlüsse.
Die oben bis zum März 1933 geschilderten Ereignisse waren, jedenfalls dem Anschein nach, noch relativ frei von antisemitischen Angriffen. Das änderte sich schlagartig mit einem Schreiben des V.B.A.V. vom 08.04.1933.
Mit diesem Schreiben wurden die Vereine aufgefordert, alle jüdischen Funktionäre und Mitglieder aus den Vereinen auszuschließen.
Dies war verbunden mit der Drohung, dass ansonsten behördliche Massnahmen ergriffen würden. Die Vereine wurden aufgefordert, schon am Ende des Monats April 1933 den Vollzug dieser Maßnahmen an den Verband zu melden. Bereits am 20.04.1933 meldet der 1. Vorsitzende Lisse an den V.B.A.V. wörtlich:
„[…] Unser bisheriger Vorsitzender, Herr W. Seelig, war jüdischer Konfession. Derselbe ist am 2. März or. freiwillig aus dem Verein ausgeschieden. – Wir überprüfen z.Zt. die Liste unserer Mitglieder und geben bis zur gesetzten Frist Nachricht.[…]“
Handschriftlich wurde auf dem Schreiben vermerkt: „Können mitteilen, daß keine Juden vorhanden.“
Walter Seelig war verheiratet mit Malwine Seelig, geborene Brandsdörfer, geb. am 16.01.1912 in Szepesváralja (slowak. Spisske Podhradie) / Szepes / Ungarn. Walter und Malwine Seelig mussten, nach der Zwangsarisierung des Familieneigentums in der Hufelandstraße, wie die Eltern Salomon und Hedwig Seelig in die Weissenburger Straße 70 in das damalige Berlin NO 55 umziehen (heute Bezirk Spandau). Auch Malwine Seelig wurde in Anwendung der „Nürnberger Gesetze“ als „Jüdin“ bezeichnet.
Von Berlin wurden Walter und Malwine am 03.02.1943, mit dem „28. Osttransporte“ (Nummer 862 und 863, Seite 45 der Transportliste) nach Auschwitz verschleppt. Dort verliert sich ihre Spur. Sie wurden vermutlich sofort ermordet. Das genaue Todesdatum liegt nicht vor. Es ist allerdings davon auszugehen, dass das Ehepaar Seelig, unmittelbar nach der Ankunft in Auschwitz in die Vernichtung „selektiert“ wurde.